Vor ein paar Wochen bin ich aus dem Nordosten zurückgekommen und habe wieder einiges amüsantes erlebt. Am besten ihr stellt eure Arbeit ein, lehnt euch zurück und zündet erst mal eine Zigarette an, während ihr das hier lest.
Vorgeschichte:
Vor ein paar Jahren hatte ich mal irgendwann, in einer Anwandlung von Größenwahn, die fixe Idee entwickelt, ein Strandhaus in Brasilien zu bauen. Das nötige Kleingeld war vorhanden, mein Studium hatte ich gerade abgeschlossen und meine Freundin hatte nichts besonders vor. Nach einigem Hin und Her nahmen wir allen Mut zusammen und kauften nach langer Suche an Brasiliens Küste, ein sehr schönes, rund 6.000qm großes Grundstück am Meer in einem Ort im Nordosten. Mit einigen kleinen Ausnahmen lief alles super und zwei Jahre später bauten wir dann auch ein Haus dort – nichts wirklich spektakuläres: Drei Zimmer, Küche, Bad, Terrasse usw. – ein einfaches Strandhaus eben (allein diese Erfahrung ist eigentlich schon ein Buch wert, tut hier jetzt aber nichts zur Sache). Als wir nach sechs Monaten wieder nach Deutschland abreisen mussten, entschlossen wir uns das Anwesen zu vermieten, das sollte auf der einen Seite wieder Geld in die leeren Kasse spülen und auf der anderen Seite mögliche Einbrecher abschrecken das ganze Haus auszuräumen.
Als wir wieder zurück nach Deutschland kamen, war ich durch den Hausbau erst mal Brasilien geschädigt und wollte von dort nichts mehr hören: zuviel Beschiss, Gewalt und Inkompetenz – das übliche eben, was fast jeder denkt, der so was hinter sich hat.
Nach 2 ½ Jahren entschloss ich mich dann doch im November wieder mal nach dem Rechten zusehen: Von meinem Mieter hatte ich in der Zwischenzeit nicht viel gehört. Er hatte immer pünktlich die Miete überwiesen und das hatte mir vorerst gelangt.
Per e-mail hatte ich immer mal wieder Gerüchte halber gehört, dass der Zaun auf einer Seite am Grundstück niedergetreten sein sollte und jeder auf unserem Gelände machte, was er wollte.Da uns die Problematik mit dem usecampiao durchhaus bekannt war, beschlossen wir, das Grundstück so schnell wie möglich wieder einzuzäunen. Also flogen wir im November zurück nach Pipa.
Hauptgeschichte:
Das Gelände war in den zweieinhalb Jahren vollständig zugewachsen. Die Caju-und Mangobäume hatten sich derart ausgebreitet, dass sie einige Palmen zu ersticken drohten. Der Sandboden war übersät mit Ameisenbauten und Schlangenlöchern. Das abgestorbene Laub hatte mittlerweile eine Höhe von stellenweise 30 Zentimetern. Maribondas, diese aggressive Wespenart, hatte an einigen überhängenden Ästen riesige Nester gebaut. Allerdings war ich auch sehr angenehm überrascht, wie sich die Mata Atlantica, die urtümliche Pflanzenwelt des Nordostens, im hinteren Teil des Grundstücks erholt hatte und nach den Brandrodungen der letzten Jahrzehnte schon einige Meter hoch gewachsen war. Die massiven Holzprügel, die wir zum Zaunbau eingesetzt hatten, waren nach zweieinhalb Jahren nur noch kleine, morsche Holzscheite, durchgebrochen und stellenweise niedergerissen. Mein Haus schien sich in der neuen Wildnis vollkommen aufgelöst zu haben und war überhaupt nicht mehr zu sehen. Das ganze Grundstück sah aus, als hätte dort mehrere Jahre niemand mehr nach dem rechten gesehen. Neugierig kletterte ich also durch den Busch und stieg dabei über einige prallgefüllte Müllsäcke hinweg. Andere waren aufgerissen, irgendwelche Essensreste, Damenbinden, Bierflaschen und Schwimmbad-Chlorfilter lagen auf dem Boden, obwohl ich gar kein Pool besitze. In einigen Bäumen hingen leere Motorölflaschen. Also organisierte ich einen Einheimischen, der mir von verschiedenen Seiten empfohlen worden war, zeigte ihm das Grundstück und erklärte ihm was zu erledigen war. Louis war ein großer dünner Mann. Er redete ununterbrochen und irgendwie vermittelte er den Eindruck, dass er bei seiner Geburt zu wenig IQ abbekommen hatte. Ich erklärte ihm haarklein, wie und welche Äste er von den Bäume abschneiden sollte. Dass er nur die nehmen sollte, die in die Breite wuchsen, damit das ganze Laubwerk Luft bekam und nach oben wachsen konnte. Die Mata Atlantica sollte er in Ruhe wachsen lassen.
An irgendeinem Donnerstag fing er also an, die vielen überhängenden Äst mit der Machete abzuschneiden und auf einen leeren Platz in der Mitte des Grundstücks zu stapeln. Ursprünglich sollte er die ganzen Teile dort vergraben. Als der Haufen aber immer höher wurde, änderten wir unsere Strategie ganz einfach und sagten ihm, dass er den Scheiterhaufen einfach abfackeln sollte. Also zündete er die ganzen Äste an und machte da bei uns ein richtig schönes Lagerfeuer. Dummerweise griff das Feuer irgendwann auf die Mata Atlantica über und vernichtete ziemlich viel der mühsam gewachsenen Bäume. Louis fand das alles nicht so schlimm, da es sich dabei sowieso nur um unnützes Gestrüpp handelte, wie er fand.
Als er dann das Grundstück auf diesem Wege „gereinigt“ hatte, machte er sich daran den Zaun wieder aufzustellen. Wir hatten dazu rund 50 Betonpfosten gießen lassen, die er im Abstand von 1,5m in den Boden eingraben sollte. Stacheldraht hatten wir auch besorgt. Es war bereits Dienstag Abend, der erste Tag an dem er mit diesen Arbeiten angefangen hatte. Als ich auf das Grundstück kam, um mir den Verlauf der Arbeiten anzusehen, hatte er tatsächlich auch schon 10 Posten gesetzt und auch die Abstände von 1,5m hatte er offenbar eingehalten. Allerdings standen die Posten wie besoffene Soldaten in Schlangelinie: Zwei neigten sich ziemlich stark nach links, drei war weiter eingegraben als die anderen und einer stand weit auf unserem Grundstück während andere schon auf der Sandpiste eingerammt und einzementiert waren. Völlig sauer fuhr ich zu ihm nachhause (ich hatte die Baustelle nach Feierabend besucht), um ihn zur Rede zustellen. Aber irgendetwas war anders an seinem Grundstück. Vorher war ich von der Straße immer direkt über sein Grundstück zum Haus gelaufen. Jetzt war das auf einmal nicht mehr möglich, denn das ganze Grundstück war mit nagelneuem Stacheldraht akkurat eingerahmt (woher er den wohl hatte?). Ich beruhigte mich erstmal und sagte ihm, dass er die Arbeiten noch mal machen müsse. Dass die Pfosten akkurat in Reihe stehen mussten und zwar alle auf gleicher Höhe. Er sagte, dass er das dann aber kaum bis zum Samstag schaffen würde (das war unsere Frist, denn am nächsten Tag wollten wir nach Deutschland abreisen). Er schlug aber von sich aus vor, seinen Bruder bei den Arbeiten miteinzuspannen und zwar zum gleichen Pauschalpreis, den wir zuvor ausgehandelt hatten. Ich fand die Idee gut und sagte ihm, dass er einen Bonus erhalten würde, wenn er das ganze Grundstück bis Samstag doch noch schaffen würde.
Als ich am nächsten Mittag auf die Baustelle fuhr, kam er mir schon ganz stolz entgegen und sagte, dass er die Arbeiten sogar bis zum Freitag schaffen würde, wenn er so weiter machte. „Toll, der Mann“, dachte ich mir. Die Pfosten waren wirklich 1A eingerammt, alle in Reih und Glied mit der selben Höhe.... nur diesmal hatte er die Abstände zwischen den Pfosten vergrößert: Es waren nicht 1,5m, sondern 2,5m; 2m; 3m 1,90m usw. und er war fast fertig! Ich sagte ihm, dass er gar nicht weiter arbeiten bräuchte und alle noch mal ausgraben müsste. Dass er sich jetzt aber wirklich beeilen müsste, wenn er bis Samstag fertig werden wolle. „Okay“, sagte er, er würde trotzdem fertig werden, schließlich wolle er sich ja auch den Bonus verdienen. Als ich am nächsten Tag an die Baustelle kam, war niemand da. Die weißen, schlecht gesetzten Pfosten standen wie zum Spott in der Gegend rum und schienen mich förmlich auszulachen. Ich ging zum Nachbarn: „Hey, wo ist Louis?“ „Der ist heute zum Friseur“, sagte er mir. Ich fuhr zurück zum Haus von Louis. Er saß auf der Veranda mit seiner frisch geschnittenen Perücke und knackte Kokosnüsse. Er habe heute keine Zeit, aber nächste Woche würde er mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit fertig werden, sagte er. Ich wollte den Typ nur noch loswerden und für das geleistete Chaos möglichst wenig bezahlen.
Also sagte ich ihm, dass er ein ganz toller Arbeiter sei, ich aber leider keine Zeit mehr habe, weil ich nach Deutschland müsse. Dass ich aber wirklich sehr zufrieden sei mit seiner Arbeit. Er fühlte sich wirklich geschmeichelt.. Ich drückte ihm ein paar Real in die Hand und ging. „Senhor, wenn sie wieder im Lande sind, kann ich die Arbeit ja zu Ende bringen“, rief er mir nach. „Klar, das machen wir bestimmt, mit so einem fleißigen und guten Pedrero wie dir, macht es richtig Spaß zu arbeiten“.
Tja - so kann es gehen! Aber der Zaun steht mittlerweile.
Gruß
Jozinho
Kommentar