Bundesrichter verurteilen sittenwidrige Eheverträge
Karlsruhe (AP) Eheverträge können sittenwidrig und damit unwirksam sein, wenn sie einen Partner über Gebühr einseitig belasten und der Aufgabenteilung in der Ehe nicht gerecht werden. Mit diesem Grundsatzurteil setzte der Bundesgerichtshof (BGH) am Mittwoch dem völligen Ausschluss von Unterhaltszahlungen und Altersvorsorge enge Grenzen. Gütertrennung und der damit verbundene Ausschluss des Zugewinns wurden dagegen gebilligt. Familienrichter erwarten nun eine Flut von Klagen.
Die Gültigkeit eines Ehevertrages muss nach dem Karlsruher Urteilsspruch in zwei Stufen überprüft werden, und zwar zum einen nach den Lebensverhältnissen bei Vertragsabschluss und zum anderen nach den Bedingungen bei der Scheidung. Auch wenn der Vertrag bei Abschluss nicht sittenwidrig war, kann er durch Veränderungen innerhalb der Ehe anfechtbar geworden sein. Er muss dann von den Gerichten angepasst werden.
Anlass des Verfahrens war ein Ehevertrag zwischen einem sehr gut verdienenden Unternehmensberater aus Augsburg und seiner Frau, die die beiden Kinder betreute und nur geringe Einkünfte hatte. Der Ehevertrag wurde 1988, etwa drei Jahre nach der Heirat, auf Wunsch des Mannes abgeschlossen. Er sah Gütertrennung, Unterhaltsausschluss und eine relativ geringe Lebensversicherung für die Frau vor. Nur der vorgeschriebene Betreuungsunterhalt wurde vereinbart, den der betreuende Elternteil bis zum 15. Lebensjahr der Kinder ohnehin beanspruchen kann. Die Frau focht den Vertrag später an, die Ehe wurde 2001 geschieden.
Das Oberlandesgericht (OLG) München hatte den Ehevertrag als sittenwidrig und damit nichtig beurteilt. Die Bundesrichter bemängelten, dass das OLG nicht genügend Feststellungen über die Lebensverhältnisse bei Vertragsabschluss und bei der Scheidung getroffen hatte. Das soll nun nachgeholt werden. Nach den Vorgaben, die der oberste Familiensenat des BGH jetzt machte, dürfte der Ausschluss des Zugewinns durch Gütertrennung wirksam sein. Die Unterhaltszahlungen an die Ex-Ehefrau müssen aber überprüft werden.
Die Kunsthistorikerin, die vor der Heirat als Archäologin arbeitete, war nach ihren Angaben über den Inhalt des geplanten Ehevertrags unzureichend informiert und hatte ohne vorherige Aufklärung unterschrieben. Auch das dürfte bei der Beurteilung des Vertrags eine Rolle spielen.
Nach dem BGH-Urteil können Eheverträge nun leichter angefochten werden. Grundsätzlich gilt, dass eine völlig einseitige Benachteiligung eines Partners dann anzunehmen ist, wenn er in einer Einverdiener-Ehe die Kinderbetreuung übernommen hat und der Ehevertrag für den Scheidungsfall den Ausschluss von Unterhalt und Altersversorgung bestimmt. In einer Doppelverdiener-Ehe, in der sich beide Partner an der Kindesbetreuung beteiligen, wird ein solcher Ehevertrag dagegen in der Regel gültig sein.
(Aktenzeichen: Bundesgerichtshof XII ZR 265/02)
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