Mit dem Toyota Bandeirantes durch den heissen Ceará
Ausschnitt aus do Lemes Buch "Nichts für Pauschaltouristen"
Es muss wohl so 1998 gewesen sein. Ich reiste mit Jens, der zum 1. Mal in Brasilien war, durch die Bundesstaaten Piaui und Ceará. Für Jens war das eine andere Welt, denn seine bisherigen Urlaube führten ihn hauptsächlich nach Mallorca und Thailand.
Wir kamen per Omnibus aus Fortaleza mit Zwischenstation in Piripiri und dem Nationalpark „Sete Cidades“ irgendwann vormittags in der Kleinstadt Jijoca an. Dort sollte uns eine "Jardinheira" weiter nach Jericoacoara transportieren. Ich konnte mir trotz 4 Jahren Brasilienaufenthalts absolut nichts unter einer Jardinheira vorstellen, sah dann aber, dass es ein umgebauter Toyoto Bandeirantes war, der außer der vergrößerten, mit Sitzbänken ausgestatteten Ladefläche auch geländetauglich war.
Unser Ziel, Jericoacoara, kannte ich aus dem Buch „7000 km Küstenabenteuer“ eines hoffnungslos in Brasilien verliebten Autors. Er gab in seinem Buch Einblick in die letzten unberührten Paradiese Brasiliens, zu denen auch Jericoacoara oder kurz gesagt „Jeri“ gehörte.
An die ewig lange Fahrt auf dem Toyota Bandeirantes durch die Dünen bei glühend heißen 40 Grad kann ich mich auch noch sehr bildlich erinnern.
Im Toyota befanden sich u.a. 1 schwarzes Schwein, 5 Hennen, einige Zentner Mais und ein Stapel Maniokwurzeln. Es stank mörderisch. Auf der kleinen Bank drängten sich ein älterer Herr, ein junges Mädel, 2 gut gebaute, zahnlose Jungs, der blonde, blauäugige Jens und ich.
Die Fahrt sollte 3 Stunden dauern.
Als ich auf der Ladefläche saß, gemeinsam mit dem Viehzeug, fragte ich den Motorista wann es denn los ginge. Es war früh um 9 und langsam wurde die Sonne erbärmlich heiß. Obwohl die Ladefläche eine Plane hatte und die Sonnen nicht direkt auf meinen Schädel knallen konnte, wurde es stickig. Der Motorista meinte: "so uns 5 minutinhos" ..... wer Brasilien kennt, weiß, dass 5 Minütchen im allgemeinen auf 30 Minuten herauslaufen, doch wer im Piaui denkt, dass es nach 30 Minuten wirklich losgeht, hat weit gefehlt - es dauerte etwas länger, bevor die Fahrt losging - wohl auch deswegen, weil der Motorista solange mit der Abfahrt wartete, bis die Ladefläche wirklich voll war. Uns wurde ziemlich warm ums Herz ....... und am Rücken, den Beinen und am Kopf ....... der Schweiß lief nur so ......... es herrschten außerirdische Temperaturen.
Nach 2 Stunden Wartezeit fuhr er endlich los, drehte aber erst noch ein paar Ehrenrunden im Dorf ....... so als wollte er sich von jedem Einwohner der Stadt persönlich verabschieden ......... anscheinend kam es in der Vergangenheit häufig vor, dass Motoristas nie wieder zurückkamen .......... so zumindest deutete ich diese Abschiedszeremonie.
Kurioserweise lies der Fahrer den Motor schon 30 Minuten vor Abfahrt an, wahrscheinlich um ein Zeichen zu setzen, dass es gleich losginge - die Folge aber war: es stank nicht nur nach Schwein, sondern auch noch nach Diesel. Die Luft stand - kein Windchen wehte.
Gut. An einer CO-Vergiftung bin ich wohl noch einmal haarscharf vorbeigeschrammt, bevor es dann losging. 3 Stunden über Holperpisten - dachte ich mir - ist ziemlich langweilig - also fängst du an mit den Leuten auf der Ladefläche zu reden. Leider war aber die Stimmung nicht sehr anregend - da wohl die Hitze so ziemlich alle noch im Gehirn vorhandenen Zellen vorübergehend deaktivierte. Meine Wasserflasche war auch nach einer halben Stunde leer und so langsam trocknete mir die Kehle aus - im Gegenzug klebte mein Shirt klitschnass auf dem Rücken fest.
Als wir einem namenlosen Dorf näherten, wurde meine Nachbarin (wie konnte es anders sein - das einzige Mädel saß natürlich neben mir) etwas lebendiger und ging auf einen meiner ständigen Versuche ein Gespräch anzufangen ein. Sie fand meinen Dialekt sehr lustig und fing an sich zu amüsieren - sie hatte wohl noch nie vorher mit einem Gringo gesprochen und wusste wahrscheinlich auch nicht, dass es noch andere Sprachen gab. Ich fragte sie jedenfalls eine Menge Dinge über ihr Leben und ihre Heimat und sie wurde zunehmend munterer. Nach einer schon geraumen Zeit wurde dann einer der jungen Kerle munter (er schlief mit offenem Mund - und die Fliegen, die vorher am After des Schweins rumschwirrten, flogen plötzlich auch in Richtung seines geöffneten Mundes). Er hörte uns eine Weile bei unserem munteren Gespräch zu - sie lachte fröhlich - er wurde argwöhnisch. Er fing an sie zu beschimpfen und ich merkte, dass er ihr Bruder war. Als dann ihr anderer Bruder, der sich auch auf der Ladefläche befand, anfing sich einzumischen, wurde die Luft dick. Plötzlich flogen mir ein Haufen Schimpfworte an den Kopf, u.a. dass ich mich an einer minderjährigen Jungfer vergreifen wöllte und das sie eine ehrbare Familie wären - kurz um: ich war ein Schuft. Das Mädel, was sichtlich überfordert war, fing nun an, ihren Gebrüdern begreiflich machen zu wollen, dass ich doch nur mit ihr geredet hätte. Aber die Jungs wurden immer fuchtiger, und meinten, dass ich nichts anders wollte als sie zu entjungfern mit meiner vielen Quatscherei.
Gut. Meine Zunge ist vielleicht nicht ganz so spitz, dass es für eine Entjungferung reicht, aber bevor die Jungs anfingen mit ihrem Facão herumzufuchteln , setzte ich zum Sprung an und landete recht unsanft auf der Sandstrasse. Die beiden Typen waren sichtlich überrascht, konnten es aber nicht lassen, mir wenigstens noch ein "Filho da Putaaaaa" hinterher zu schreien, währenddessen ich schon anfing, den Staub aus den Haaren zu schütteln. Meinen Rucksack hatte ich im Affekt vor meinem Absprung gekrallt - somit hatte ich wenigstens meine 7 Sachen nicht verloren (4 Kleidungsstücke, 1 Zahnbürste + 2 Kondome). 2 Dinge hatten sich nun aber grundlegend geändert: die Sonne prallte mir jetzt direkt auf den Schädel, aber dafür stank es nicht mehr so barbarisch.
Da es noch nicht allzu spät war, hatte ich wohl auch berechtigte Hoffnung, dass irgend ein anderes Vehikel meinen Weg kreuzen würde, um mich zur nächsten Wasserstelle mitzunehmen - die hatte ich auch mehr als nötig, denn an meinen Lippen verkrustete so langsam der weiße Schaum, der durch die viele Leckerei aufgetragen wurde. Da ich ein Glückspilz im Leben bin, kam auch ein wenig später ein Eselskarren mit einer Ladung Zement (völlig geruchsfrei) vorbei und nahm mich mit. Glücklicherweise führte sein Weg nach Jerí - was ja auch völlig logisch war, da es die einzige Strasse weit und breit war - am späten Nachmittag sprang ich runter von seinem Karren - bedankte mich höflich - und schoss noch ein Foto vom Karren und versprach dem Mann, es ihm per Post zuzuschicken.
Fortsetzung folgt ...
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